Das Selbstwertgefühl von Kindern: Wie es entsteht und wie Eltern es fördern können
Selbstbewusst durchs Leben gehen. Das wünschen vermutlich alle Eltern ihren Kindern. Das Selbstbewusstsein ist für unser berufliches und privates Leben von sehr großer Bedeutung. Doch wie entsteht es überhaupt? Kann ich als Elternteil das Selbstwertgefühl meines Kindes beeinflussen? Und wenn ja: Wie? Erfahren Sie alles, was Sie zum Selbstbewusstsein Ihres Kindes wissen müssen.
Ein positives Selbstwertgefühl: Bedeutung fürs Leben
Wer kann lieben, ohne sich selbst zu lieben? Wer kann in einem Vorstellungsgespräch überzeugen, ohne von sich selbst überzeugt zu sein? Wer kann dem Druck der Freunde zum Drogenkonsum widerstehen, ohne selbstsicher zu sein? Anhand dieser Fragen wird bereits deutlich, wie wichtig ein positives Selbstwertgefühl im Leben ist. In allen Lebensbereichen spielt es eine enorme Rolle. Liebesglück, beruflicher Erfolg, Aufbau von Freundschaften und Widerstand gegen falsche Entwicklungen. Wer selbstsicher im Leben steht, kann mit vielen Situationen besser umgehen und sich behaupten. Deshalb ist der Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls so ein wichtiger Entwicklungsschritt, den Sie als Eltern unterstützen sollten.
Das Selbstwertgefühl: Eine Entwicklung der Kindheit
Was würden Sie schätzen? Wann entsteht das Selbstwertgefühl eines Menschen? Es ist kaum vorstellbar, aber bereits zum Ende der Grundschulzeit ist die Entwicklung in weiten Teilen abgeschlossen. Das bedeutet, dass der wichtigste Grundstock für ein positives Selbstwertgefühl in der Kindheit liegt. Selbstverständlich ist das Selbstbewusstsein im weiteren Verlauf des Lebens noch beeinflussbar. Aber die Basis ist bereits gesetzt. Nur Lebenskrisen oder enorme Höhepunkte wie eine Scheidung, ein Verlust der Arbeitsstelle oder das Erlangen von Berühmtheit können das Selbstwertgefühl dann noch einschneidend verändern.
Grundlage Selbstkonzept: Eine Bestandsaufnahme
Bevor sich ein Selbstwertgefühl entwickeln kann, entsteht bei jedem Kind ein Selbstkonzept. Dieses ist sozusagen eine Bestandsaufnahme zu den eigenen Persönlichkeitsmerkmalen, Stärken, Schwächen, Fähigkeiten und Grenzen. Das Selbstkonzept beschreibt erst einmal sachlich. Zum Beispiel: “Ich kann Rad fahren” oder “Ich bin nicht sportlich”. Das Selbstwertgefühl entsteht dann durch die Bewertung dieser Sachinhalte. Ein Kind kann zum Beispiel denken: “Es ist nicht schlimm, dass ich nicht sportlich bin.” oder aber auch: “Ich bin ein Versager, weil ich nicht sportlich bin.” Wie das Kind den Sachinhalt bewertet, ist abhängig von:
- Fremdbewertungen (Rückmeldung der anderen über meine Unsportlichkeit)
- Selbstbewertungen (Wäre ich gerne sportlich? Ist das für mich wichtig?)
- Sozialen Vergleichen (Sind alle anderen sportlich? Bin ich die unsportlichste?)
Faktor Zeit und Häufigkeit: Eine schlechte Erfahrung ist noch keine Dauerbewertung
Neben den genannten Bewertungsmöglichkeiten sind auch die Zeit und Häufigkeit von Feststellungen zu meinem Selbstkonzept und meinem Selbstwertgefühl von Bedeutung. Wer einmal hört, dass er unsportlich sei, übernimmt diese Aussage meist nicht sofort und ungefiltert in sein Selbstkonzept. Wer allerdings über einen langen Zeitraum immer wieder hört, dass er unsportlich sei, wird diese Annahme früher oder später übernehmen. Hört er gleichzeitig immer wieder, wie wichtig Sportlichkeit wäre, beobachtet und bewertet alle anderen Gleichaltrigen als sportlicher oder wäre eigentlich selbst sehr gerne sportlich, entsteht über die Dauer ein negatives Selbstwertgefühl bezüglich der Sportlichkeit.
Bereichsspezifisch oder global: Ein wichtiger Unterschied
Hat ein Kind zum Beispiel nun in sein Selbstkonzept integriert, dass es unsportlich ist und bewertet dies negativ, hat es ein schlechtes Selbstwertgefühl in sportlichen Dingen. Sein globales Selbstwertgefühl kann dagegen aber sehr gut sein. Dieses beinhaltet nämlich alle Kompetenzen, Fähigkeiten und Grenzen. Ist das Kind zum Beispiel sehr gut in der Schule, hat eine kreative Ader und erhält viel Zuspruch im zwischenmenschlichen Bereich, kann sein globales, umfassendes Selbstwertgefühl dennoch sehr positiv sein. Für die gesunde, emotionale Entwicklung ist vor allem das globale Selbstwertgefühl entscheidend. Denn bereichsspezifisch hat jeder Mensch Bereiche, in denen er sich negativ bewertet. Wichtig ist, dass ein Kind in der Summe auf eine positive Bilanz kommt. Ganz nach dem Motto: “In Sport bin ich zwar nicht so begabt, aber dafür habe ich andere Talente und Qualitäten.”
Zusammenfassung:
Das Selbstwertgefühl ist die Bewertung des eigenen Selbstkonzeptes. Auf diese Bewertung haben verschiedenen Dinge Einfluss. Über Dauer und Häufigkeit festigt sich das Selbstwertgefühl. Entscheidend ist vor allem das globale Selbstwertgefühl. Dieses meint eine abschließende Bewertung meines Selbstkonzeptes, unabhängig vom Ergebnis einzelner Bereiche.
Das Selbstwertgefühl und die Schule: Fremdbewertungen am laufenden Band
Während viele Kindergartenkinder noch ein sehr positives Bild von sich selbst haben, ändert sich dieses oft mit Beginn der Grundschulzeit. Denn unser Schulsystem bewertet die Leistung der Kinder permanent. Zu Beginn Smileys, später Schulnoten, drücken aus, wie gut ein Kind lesen, rechnen und schreiben kann. Damit erhält es eine Vielzahl an Fremdbewertungen durch die Lehrer und Lehrerinnen. Gleichzeitig ist der Klassenverband eine gute Grundlage für soziale Vergleiche: Wer ist der beste in Deutsch? Wer ist der Rechenkönig und welche Note haben die anderen auf die Klassenarbeit?
Im Laufe einer Schulkarriere kommen da Unmengen an Fremdbewertungen und sozialen Vergleichen zusammen. So wird aus der ersten Fünf in Mathematik (Einmalrückmeldung) mit der Zeit ein bereichsspezifisch schlechtes Selbstwertgefühl in Mathematik, wenn der ersten Fünf weitere folgen (Dauerrückmeldung). Wer nun auch noch in Deutsch, Sachkunde und Musik schlechte Noten erhält, kommt schnell zu dem Schluss, dass er eine Niete in der Schule ist. Gibt es im Privatleben dann keinen oder nur wenig positiven Ausgleich, entsteht ein globales, negatives Selbstwertgefühl. Bei Schulkindern, die sich mit dem Lernen schwertun, ist es für Sie als Eltern daher besonders wichtig, einen positiven Einfluss auf das Selbstwertgefühl zu nehmen.
Ein positives Selbstwertgefühl unterstützen: Die wichtigsten Tipps
Intuitiv machen viele Eltern es bereits richtig. Das Selbstwertgefühl des eigenen Kindes zu unterstützen, geschieht daher oft automatisch. Über positive Rückmeldungen, Lob, Anerkennung, Bestärkung, Auffangen bei Negativleistungen und Mut machen. Der gesellschaftliche Druck wirkt sich aber bisweilen dann so auf uns Eltern aus, dass wir diese Intuition gelegentlich vergessen und den Druck an unser Kind weitergeben. Damit dies nicht zu oft geschieht, können Sie sich als Eltern an folgende Tipps halten:
Lob und Anerkennung
Jeder Erfolg, jede positive Entwicklung und jeder erreichte Entwicklungsschritt sind ein dickes, ehrlich gemeintes und deutliches Lob wert.
Partizipation
Ihr Kind darf sich mit seinen Wünschen, Bedürfnisse und Ideen am Familienleben beteiligen und wird berücksichtigt. So lernt es Selbstwirksamkeit und seinen eigenen Einfluss kennen.
Ernst nehmen
Nehmen Sie Ihr Kind immer ernst. Hören Sie ihm zu, versuchen Sie seine Sichtweise zu verstehen und seien Sie auch mal zu Kompromissen bereit.
Stärken erkennen und benennen
Reden Sie mit Ihrem Kind über seine Stärken. Was kann es besonders gut, wo liegen Talente. Fördern Sie diese.
Schwächen erkennen und annehmen
Niemand ist perfekt. Sie sollten dennoch nicht von selbst die Schwächen des Kindes ansprechen. Wenn Ihr Kind allerdings eine Schwäche an sich feststellt, können Sie ihm dabei helfen diese anzunehmen. Das ist besonders heikel, denn nicht jede Schwäche muss auch so bleiben. Wenn Ihrem Kind zum Beispiel der Purzelbaum nicht gelingt, kann dieser eingeübt werden. Der Erfolg stärkt dann das Selbstwertgefühl. Ist eine Übung aber nicht möglich oder sinnvoll, dann dürfen Sie mit Ihrem Kind gerne darüber reden, dass jeder Mensch Schwächen hat. Dazu gibt es auch schöne Bilderbuchgeschichten, wie zum Beispiel das Buch “Vielleicht” von Kobi Yamada.
Soziale Vergleiche reflektieren
Bei Gelegenheit können Sie mit Ihrem Kind über soziale Vergleiche sprechen. Vielleicht ist Lara immer besser in Mathematik und Sport, aber dafür fällt ihr das Lesen sehr schwer. Jeder Mensch hat Schwächen und Stärken. Niemand kann alles. Besonders wichtig ist ab einem bestimmten Alter auch das Hinterfragen von Medien, den Inhalten und Tricks (Muss eine Frau so perfekt aussehen wie das Model im Fernsehen? Ist das überhaupt perfekt oder wurde getrickst?)
Schulleistungen nicht überbewerten
Schule ist wichtig. Da sind wir uns als Eltern natürlich alle einig. Dennoch sollte das Thema Schule nicht den ganzen Alltag ausfüllen und vor allem sollten Misserfolge nicht als Hauptthema behandelt werden. Es gibt noch mehr im Leben. Damit die Schulleistungen nicht auf Dauer schlecht sind und das Selbstwertgefühl negativ beeinflussen, sollten eine vorübergehende Nachhilfe oder ein Schulwechsel in Erwägung gezogen werden.
Hobbys fördern
Hobbys stellen eine wunderbare Möglichkeit dar, um positive Erfahrungen für das Selbstkonzept und das Selbstwertgefühl zu sammeln. Egal, ob Musikunterricht, Pfadfinder, Fußball oder Schwimmen. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind in einem Hobby, das zu ihm passt, viele positive Erfahrungen sammelt.
Eine praktische Übung: Das Stärkenplakat
Wenn Sie eine Übung für das Selbstwertgefühl mit Ihrem Kind durchführen möchten, bietet sich das Stärkenplakat an. Diese Übung ist besonders nachhaltig und gefällt den Kindern oft sehr gut. Legen Sie dazu Ihr Kind auf einen sehr großen Papierbogen und zeichnen Sie seinen Körperumriss nach (Alternativ: ein großes Plakat und den Umriss der Hände). Sammeln Sie nun gemeinsam alle Stärken und Lernerfahrungen Ihres Kindes. Was kann Ihr Kind besonders gut? Was hat es bereits alles gelernt? Schreiben Sie diese Dinge gemeinsam auf das Plakat. Denken Sie auch an Situationen, in denen Sie besonders stolz auf Ihr Kind waren. Die Übung ist eine gute Möglichkeit, Ihrem Kind diese Rückmeldung zu geben.