Der Übergang an die weiterführende Schule: In der sensiblen Zeit das Kind unterstützen
Er ist mindestens genauso aufregend wie der Tag der Einschulung: der erste Tag an einer weiterführenden Schule. Denn wie bei der Einschulung selbst ändern sich das gewohnte Umfeld, der Schulweg, die Bezugspersonen und die Mitschüler und Mitschülerinnen. Damit ist der Übergang in die weiterführende Schule ein richtiger Neustart, der aufregend, spannend und kräftezehrend zugleich ist. In der sensiblen Zeit des Schulübergangs können Sie Ihr Kind dabei liebevoll unterstützen.
Plötzlich wieder alles neu: der Neustart an der weiterführenden Schule
Lesen und Schreiben, Rechnen und Lernen sind für Ihr Kind beim Übergang in eine weiterführende Schule nicht mehr neu. Ihr Kind kennt den Schulablauf, das System Lernen und Hausaufgaben und kann mit Stift und Papier sicher umgehen. Der Neustart an einer weiterführenden Schule ist dennoch mindestens genauso aufregend wie die Einschulung vor einigen Jahren. Denn mit dem Schulwechsel beginnt eine neue Zeit mit vielen Unbekannten. Eine neue Klasse, neue Lehrer und Lehrerinnen, ein unbekanntes Schulhaus, neue Unterrichtsformen und ein neuer Schulalltag. Kurz gesagt: Alles ist neu. Vergleichbar ist der Neustart an einer weiterführenden Schule mit einem Arbeitgeberwechsel für einen Erwachsenen. Die neuen Eindrücke, Regeln und das neue Sozialgefüge innerhalb der Klasse kosten viel Energie und Kraft und können in der ersten Zeit nach dem Schulwechsel zu kleineren und größeren Problemen führen. Außerdem beginnt Ihr Kind nun wieder als Jüngster oder als Jüngste im Schulhaus und wird plötzlich wieder zum Anfänger. Als Folge treten häufig auf:
Müdigkeit und Erschöpfung
Diese beiden Erscheinungen treten bei fast allen Kindern auf. Ungewohnte Umgebungen strengen einfach mehr an und der Kopf muss viele Dinge verarbeiten. Durch einen oft längeren Schulweg beginnen die Schultage eventuell auch noch früher und Ihr Kind muss morgens eher aufstehen.
Traurigkeit und Verlustgefühle
Der Abschied von lieb gewonnen Mitschülern und Mitschülerinnen, der Lieblingslehrerin und dem gewohnten Pausenhof mit der allerliebsten Spielecke fällt manchen Kindern schwer. In den Sommerferien ist die Ablenkung meist groß und die Traurigkeit taucht erst auf, wenn der Schulalltag in einer neuen Umgebung beginnt.
Wut und Aggression
Kinder reagieren unterschiedlich auf Überforderung und Überreizung. Einige Kinder reagieren auch mit Wut und Aggression. Sie sind dann sehr gereizt, fahren schnell aus der Haut und reagieren völlig anders als gewohnt.
Rückzug und Isolation
Kinder, die ein hohes Ruhebedürfnis haben, sind mit den vielen neuen Eindrücken und Reizen oft überfordert. Sie ziehen sich dann so oft wie möglich zurück und verbringen Zeit mit sich allein. Solange daraus keine Isolation wird, ist das auch in Ordnung. Dauert der Rückzug allerdings zu lange an oder nimmt er einen zu großen Rahmen an, darf interveniert werden.
Schulverweigerung und Leistungsabfall
Es sind Einzelfälle, aber für manche Kinder ist der Schulwechsel ein so massiver Einschnitt, dass sie versuchen den Schulbesuch zu verweigern und / oder sich im Unterricht nicht beteiligen oder das Lernen ablehnen.
Das Kind unterstützen: Gelassen bleiben und sanft intervenieren
Für uns Eltern ist der Schulwechsel des eigenen Kindes auch eine aufregende Zeit. Zwar ändert sich das eigene Tagesumfeld nicht oder nur gering, aber der neue Schulablauf, das Lernen und vor allem die Reaktion des Kindes darauf sorgen auch bei Eltern für Unsicherheiten: Wird mein Kind den Wechsel gut schaffen? Wie kann ich es unterstützen? Wie reagiere ich richtig auf Probleme? Haben wir die richtige Schulwahl getroffen? Alle diese Fragen führen zu elterlichem Grübeln. Wir geben Ihnen die wichtigsten Tipps, wie Sie Ihr Kind beim Schulwechsel unterstützen können.
Bleiben Sie gelassen!
Bedenken Sie, wie anstrengend der Schulwechsel für Ihr Kind ist. Geben Sie ihm Zeit, an der neuen Schule anzukommen und sich einzugewöhnen. Reagieren Sie auf Stimmungsschwankungen gelassen und nehmen Sie die Gefühle und das ungewohnte Verhalten Ihres Kindes an. Bleiben Sie positiv: Jeder Anfang braucht Zeit.
Reden Sie mit Ihrem Kind
Versuchen Sie, mit Ihrem Kind in Kontakt zu bleiben. Sprechen Sie mit ihm über seine Erlebnisse, Eindrücke und Erfahrungen und geben Sie bei Bedarf Tipps und Ratschläge. Besonders wichtig ist aber vor allem das Zuhören, wenn Ihr Kind reden möchte.
Unterstützen Sie Ihr Kind beim Lernen
Auch wenn Ihr Kind am Ende der Grundschulzeit schon selbstständig gelernt und seine Hausaufgaben eigenverantwortlich erledigt hat, kann es nun vorübergehend wieder mehr Unterstützung benötigen. Der Lernumfang ist größer, das Lernen erfordert andere Strategien und es kommen neue Herausforderungen hinzu. Helfen Sie beim Vokabel lernen oder bei der Vorbereitung auf Schulaufgaben und Tests.
Entlasten Sie den Alltag
Neben der Eingewöhnung an der neuen Schule braucht Ihr Kind zu Beginn viel mehr Ruhe- und Entspannungszeiten als gewohnt. Versuchen Sie daher den Alltag etwas zu entlasten und nur wenige Termine am Nachmittag zu planen.
Sorgen Sie für den notwendigen Ausgleich
Viel Bewegung, viel frische Luft und gewohnte Freundschaften und Aktivitäten tun Ihrem Kind jetzt besonders gut. In bekannten Umfeldern kann es sich entspannen und Normalität spüren. Planen Sie für das Wochenende schöne, gemeinsame Aktivitäten, die Ihrem Kind guttun.
Fördern Sie die Entwicklung von Freundschaften
Wenn Ihr Kind Unterstützung dabei braucht, können Sie neue Freundschaften im Klassenverband unterstützen. Ermöglichen Sie dazu gegenseitige Besuche oder gemeinsame Ausflüge.
Besuchen Sie den Elternabend
Innerhalb der ersten Wochen wird es bald den ersten Elternabend an der neuen Schule geben. Gehen Sie dort auf jeden Fall hin. Sie erhalten wichtige Informationen zur Schule, dem Lehrplan und den Anforderungen.
Lob und Anerkennung
Geben Sie Ihrem Kind viel positive Rückmeldung für jeden geschafften Schritt. Lassen Sie gemeinsam die letzten Wochen Revue passieren und erwähnen Sie, was alles bereits gelernt wurde (die Busfahrt, der Wandertag, die erste Deutscharbeit).
Ausreichend Schlaf
Ihr Kind benötigt zur Erholung vermutlich mehr Schlaf als üblich, da der Kopf viele neue Eindrücke verarbeiten muss. Sorgen Sie deshalb dafür, dass genügend Zeit für den Nachtschlaf eingeplant ist und Ihr Kind sich ausschlafen kann. Nicht selten brauchen auch Schülern und Schülerinnen ab der fünften Klasse mit dem Schulwechsel gelegentlich wieder ein Mittags-Nickerchen nach Schulschluss.
Schwerwiegende Probleme? Lassen Sie sich helfen!
Mit den beschriebenen Tipps und Strategien lässt sich die erste Zeit an der weiterführenden Schule gut gestalten. Mit der Zeit wird der neue Ablauf zur Routine und der Schulalltag weniger anstrengend. Dazu kann aber durchaus ein halbes Jahr notwendig sein. Die ersten Besserungen stellen sich aber häufig bereits nach einem Vierteljahr ein. Sollte Ihr Kind schwerwiegendere Anpassungsprobleme zeigen (Depression, Schulverweigerung, schwere Aggression, totaler Rückzug), scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ansprechpartner sind neben der Klassenleitung die Schulpsychologen und Schulpsychologinnen, die Schulberatungsstellen oder die Erziehungs- und Familienberatungen. Gemeinsam kann der Ursache auf den Grund gegangen werden, sodass sich Lösungswege finden lassen.
Infobox: Fantasiereise zur Entspannung
Viele Kinder profitieren von einer Fantasiereise zur Entspannung nach dem Schulunterricht oder vor dem Schlafengehen. Die Entspannungsmethode der Fantasiereise zielt darauf ab, das Kind in der Tiefe zu entspannen und es neue Energie tanken zu lassen. Im Kern wird dabei eine Fantasie-Situation vorgegeben, die das Kind mit eigenen Bildern ausgestaltet. Es gibt Fantasiereisen für Kinder auf CD zu kaufen oder in Streaming-Diensten zum Abspielen. Alternativ können Sie unsere Übung nutzen.
Ihr Kind soll sich bequem auf das Sofa oder den Boden legen. Wenn Sie möchten, können Sie leise Entspannungsmusik im Hintergrund laufen lassen. Lassen Sie Ihr Kind dann einen Moment zur Ruhe kommen und sprechen Sie dann langsam und ruhig folgenden Text. Lassen Sie zwischen den einzelnen Sätzen immer eine kurze Pause zum Fantasieren und Vorstellen.
– Du bist ganz ruhig und entspannt.
– Atme tief ein und aus und lasse dich fallen.
– Schließe deine Augen.
– Stelle dir vor, es ist ein warmer Sommertag.
– Die Sonne strahlt vom Himmel und wärmt die Erde auf.
– Du stehst barfuß auf einer Wiese und genießt die Wärme.
– Du spürst das warme Gras unter deinen Füßen.
– Ein Käfer surrt neben dir und begrüßt dich.
– Du hörst die Vögel zwitschern.
– Du flitzt über die Wiese und freust dich über die warme Sonne.
– Ein Hase sitzt am Wiesenrand und beobachtet dich.
– Du legst dich auf eine Decke und streckst deinen Körper aus.
– Du konzentrierst dich auf die Wärme der Sonne.
– Sie erwärmt dein Gesicht, deine Arme, deine Beine und deinen Bauch.
– Wohlig warm kannst du dich gut entspannen.
– Über dir siehst du weiße Wolken am hellblauen Himmel.
– Sie ziehen an dir vorbei und wirken leicht.
– Du stellst dir vor, dass du auf ihnen reitest.
– Du fühlst dich so leicht wie sie.
– Sie bringen dich an einen geheimen Ort.
– Was siehst du dort? Wen triffst du?
– Was machst du an diesem Ort?
– Warum gefällt es dir hier so gut?
– Du bleibst, solange du möchtest, dort.
– Dann bringen dich die Wolken wieder zurück.
– Über den blauen Himmel tragen sie dich zurück zur Wiese.
– Du liegst wieder auf der Decke.
– Du fühlst dich herrlich entspannt und voller Freude.
– Atme tief ein und aus.
– Du erhebst dich von der Decke und läufst fröhlich nach Hause.
– Öffne deine Augen und kehre ins Jetzt zurück.
– Strecke deinen Körper und genieße noch kurz die Entspannung.