Pubertät und Schule: ein Balanceakt zwischen Verständnis und Grenzsetzung
Es war klar, dass sie irgendwann kommt. Doch irgendwie überrascht sie einen dann doch: die Pubertät. Gefühlt kommt sie oftmals von einem auf den anderen Tag und stellt mit unter das Familienleben ganz schön auf den Kopf. Bei vielen Mädchen und Jungen in der Pubertät kommen dann auch Schulschwierigkeiten dazu. In den meisten Fällen einfach deshalb, weil die Kinder “keinen Bock” auf Schule und Lernen haben. Doch wie sollten Eltern dann damit umgehen? Mit mehr Strenge reagieren oder ganz locker und verständnisvoll bleiben?
Eine besondere Lebensphase: die Pubertät
Die Pubertät dauert etwa fünf Jahre und ist für die Teenager eine echte Herausforderung. In dieser Zeit entwickeln sich Kinder zu jungen, geschlechtsreifen Erwachsenen. Gesteuert durch die Ausschüttung von Hormonen verändert sich der kindliche Körper: Er entwickelt sich zu Mann oder Frau mit ausgeprägten Geschlechtsmerkmalen. Diese körperliche Veränderung alleine ist bereits anstrengend für die Heranwachsenden. Der eigene Körper verändert sich für alle sichtbar. Stimmbruch, Probleme mit der Haut, Wachstum des Körpers und der Geschlechtsorgane sind für die Familienmitglieder, Freunde und Klassenkameraden ersichtlich und werden gerne auch kommentiert. Viele Jugendliche fühlen sich davon unangenehm berührt. Dazu kommen aber auch noch ein erhöhtes Schlafbedürfnis und kräftige Stimmungsschwankungen. Letztere entstehen vermutlich durch Umbauvorgänge im Gehirn. Von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt können die Gefühle der Heranwachsenden innerhalb von Minuten umschlagen. Die Pubertät ähnelt damit einer wilden Achterbahnfahrt: Die gleiche Person steigt als Kind ein und als Erwachsener aus und dazwischen gibt es eine wilde Fahrt mit jeder Menge Aufs und Abs.
Pubertät und Schule: eine ungünstige Kombination
Hält man sich diese rasante Entwicklung der Kinder mit all den damit verbundenen Schwierigkeiten bei der körperlichen Entwicklung und der aufregenden Entdeckung neuer Gefühle vor Augen, wird eigentlich schon deutlich, dass Schule und Pubertät kaum zusammenpassen. Wie soll man sich bei so viel Gedanken und Gefühlen, Veränderungen und Neuentdeckungen, bei Schlafmangel und dem ersten Verliebtsein denn auch noch auf Mathematik, Deutsch und Erdkunde konzentrieren? Viele Dinge wirken auf die Jugendlichen jetzt einfach viel wichtiger und interessanter als der Satz des Pythagoras. Denn mit dem zunehmenden Alter wird auch die Lebenswelt unserer Kinder immer größer und sie dürfen mehr alleine unternehmen und selbstständig entdecken: der erste Freundeskreis, Schulfahrten und Ferienlager und erste Partys am Abend. Für alle diese Dinge brauchen die angehenden Männer und Frauen viel Zeit und auch die meiste mentale Energie wird dafür verwendet. Entwicklungspsychologisch müssten wir also nahezu mit der Schule pausieren, sie später am Tag beginnen lassen oder den Anforderungsdruck reduzieren, um den Bedürfnissen Pubertierender gerecht zu werden. Aber da das leider nicht möglich ist, müssen wir wohl einen anderen Weg finden, Schule und Pubertät in Einklang zu bringen.
Verständnis mit Grenzen: der maßvolle Mittelweg
Während das geschilderte Hintergrundwissen zur Pubertät zwar das elterliche Verständnis für die besondere Lebensphase erhöht, verlangt die Gesellschaft von den Teenagern natürlich trotzdem das weitere “Funktionieren” in der Schule. Und natürlich können Eltern auch nicht tatenlos zusehen, wenn die Schulleistungen dauerhaft schlecht werden, die Versetzung gefährdet ist oder sogar der Abgang von der Schule droht. Wie so oft müssen Eltern daher den gesunden Mittelweg im Umgang mit dieser schwierigen Lebensphase und der Schule finden.
Es sollte der Grundsatz gelten: Verständnis mit Grenzen.
In der Lebens- und Erziehungspraxis geben wir Ihnen daher folgende Tipps
- bewahren Sie zunächst Ruhe, wenn erste schulische Probleme auftreten.
- Reflektieren Sie für sich: Gibt es tatsächlich bereits ein Problem oder ist es lediglich ungewohnt, dass plötzlich auch die Noten 4 bis 6 mit nach Hause gebracht werden? Setzen Sie die Ziele für diese Zeit nicht so hoch.
- Bedenken Sie: Die siebte bis neunte Jahrgangsstufe sind für viele Schüler und Schülerinnen eine besondere Herausforderung. Erinnern Sie sich gerne einmal an Ihre pubertäre Schulzeit zurück.
- Reden Sie mit Ihrem Kind. Verdeutlichen Sie, dass Sie viel Verständnis aufbringen können und wollen, aber die Schulleistung auch nicht zu stark abrutschen darf.
- Fragen Sie Ihr Kind, wie Sie es beim Lernen unterstützen können und dürfen.
- Behalten Sie die Termine für Schulaufgaben und Tests im Blick. Erinnern Sie Ihr Kind an das Lernen, ohne dieses allzu sehr zu bedrängen.
- Fragen Sie Ihr Kind den Schulstoff gelegentlich ab, wenn es dies zulässt. Insbesondere vor Prüfungen.
- Setzen Sie wenn notwendig klare Regeln um. Zum Beispiel: “Du darfst zur Party am Wochenende, wenn du vorher dein Referat fertig hast.”
- Versuchen Sie vor allem immer den Kontakt zu Ihrem Kind zu erhalten. Wenn Sie zu streng werden, wird Ihr Kind eventuell noch mehr mauern und verschweigen.
Motivieren statt Strafen: wenn möglich der bessere Weg
“Wenn du in Mathematik eine Vier schaffst, bekommst du die neuen Sneaker, die du dir so sehr wünscht.”
“Wenn du in Mathematik keine Vier schaffst, nehme ich dir deine Videospielkonsole ab.”
Was würden Sie sagen, welcher der beiden Sätze wirkt besser? Auf welchen würden Sie besser reagieren? Welcher würde Sie motivieren? Die Lernpädagogik beweist eindeutig: Es ist der erste Satz. Dieser motiviert positiv und Ihr Kind kann mit einem viel angenehmeren Gefühl beginnen Mathematik zu üben, nämlich mit Vorfreude und Hoffnung auf die neuen Schuhe. Der zweite Satz sorgt eher für Wut, Frustration und Angst. Das sind Gefühle, die nicht die beste Basis für einen freien Kopf zum Lernen bieten. Wann immer es geht, sollten Sie daher eher motivieren, anstatt Strafen in Aussicht zu stellen. Wünsche haben die Jugendlichen meist mehr als genug, die man dafür verwenden kann. Im gleichen Zusammenhang steht das Motto: Lob vor Tadel. Versuchen Sie, Ihr Kind immer wieder zu loben. Für jeden Lernfortschritt, für jede Lerneinheit, für jede bestandene Prüfung. Mit Lob bleibt ihr Kind motivierter am Ball als mit Tadel. Natürlich funktionieren diese beiden Prinzipien auch nicht immer: Jedem Elternteil platzt mal der Kragen und manchmal führt eine Totalverweigerung auch dazu, dass Strafe und Tadel auch mal notwendig sind. Versuchen Sie aber immer wieder zurück zum Weg der Motivation und des Lobes zu kommen.
Der Härtefall: die Totalverweigerung
Es ist eine Minderheit, aber leider ist auch das möglich: Ihr Kind verweigert sich total und lässt nicht mehr vernünftig mit sich reden. In diesem Fall wird es natürlich besonders schwierig. Versuchen Sie trotzdem zunächst ruhig und gelassen zu bleiben und überlegen Sie in aller Ruhe, welche Maßnahmen helfen könnten. Kurzschlussreaktionen mit Wut, Streit und Eskalationen führen nämlich häufig zu noch mehr Problemen. Warten Sie eine Zeit lang ab. Ist die Totalverweigerung vielleicht nach kurzer Zeit wieder vorbei? Vielleicht gab es eine besondere Situation, die der Auslöser war, zum Beispiel der erste Liebeskummer. Dauert der Zustand länger an und kommen Schulschwänzen, disziplinarische Auffälligkeiten und dauerhaft schlechte Noten dazu, müssen Sie aber natürlich tätig werden. Ihr Kind soll, darf und muss merken, dass Sie bei allem Verständnis für seine Entwicklung nicht tatenlos zusehen können und werden, wie es seine schulische Laufbahn riskiert. Machen Sie dies deutlich. Wenn Sie alleine nicht weiterkommen, dann holen Sie sich professionelle Hilfe dazu. Diese Stellen helfen bei Schulschwierigkeiten:
- Schulpsychologischer Dienst
- Schulberatungsstellen
- Erziehungs- und Familienberatungsstellen
- Lerntherapeuten
- Kinderärzte und Kinderärztinnen
Das Zahnen und die Pubertät: beides geht vorbei
Können Sie sich noch an die schlaflosen Nächte erinnern, als Ihr Kind seine Zähne bekam? Sicher dachten Sie, dass Sie nie wieder richtig schlafen können und jede Nacht hat sich wie die Unendlichkeit angefühlt. Oder als das nächtliche Einnässen zu regelmäßigen Nachteinsätzen mit Bettwäschewechsel geführt hat? Erziehung besteht aus Phasen. Und bei all den schönen Momenten mit Ihrem Kind, sind auch immer wieder schwierige Phasen dabei, die einem den letzten Nerv rauben können. Machen Sie sich aber immer wieder bewusst: Jede Phase geht vorbei. So wurde aus dem schlechtesten Schüler in der achten Klasse nicht selten schon ein guter Abiturient. Es lohnt sich also: durchhalten, am Ball bleiben, Grenzen setzen. Aber auch: Verständnis zeigen, gelassen bleiben und auf das Beste hoffen.