Suchtprävention in der Familie
Kinder großzuziehen ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, bei der sich Eltern immer wieder fragen, ob sie auch alles richtig machen. Besonders während der Pubertät haben Eltern oft Angst, die gute Beziehung zu ihrem Kind zu verlieren. In dieser Entwicklungsphase nehmen außerfamiliäre Beziehungen an Bedeutung zu. Der Einfluss der Eltern schwindet und das Schreckgespenst aller elterlichen Sorge ist wohl, dass ihre Kinder in eine Sucht abrutschen könnten. Gegen diese Gefahr in der Familie vorzubeugen, ist Inhalt dieses Beitrags.
Wie wird eine Sucht definiert?
Um überhaupt über Süchte sprechen zu können, muss zunächst einmal definiert werden, was aktuell zu den Süchten gezählt wird. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) definiert Sucht zunächst ganz klassisch als “einen Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen (z.B.: Tabak) oder synthetischen (z. B.: Speed) Droge.” Zusätzlich wird heute zwischen drei Abhängigkeiten unterschieden: physische (körperliche), psychische (seelische) und soziale Abhängigkeit. Als gängige Süchte werden folgende deklariert: Tabak, Nikotin, Alkohol, illegale Drogen (Kokain bis Heroin), Computerspiele, Internet, Medikamente und Glücksspiel. An der Aufzählung sieht man gut, dass die verschiedenen Abhängigkeiten ineinander übergehen.
Woran erkenne ich, ob mein Kind süchtig ist?
Jemand, der süchtig ist, verspürt den zwanghaften Wunsch nach seinem Suchtmittel. Das Mittel muss ständig zur Verfügung stehen, sonst reagieren die Abhängigen mit schlechter Laune, Nervosität bis zu aggressivem Verhalten. Sie haben keine Kontrolle mehr über die Menge ihres Konsums und können ihn nicht beenden. Früher beliebte Interessen und Freundschaften werden vernachlässigt. Negative Konsequenzen (schlechte Schulnoten oder den Rauswurf aus dem Verein) werden in Kauf genommen. Das allgemeine Verhalten des Betroffenen verändert sich spürbar zu seinem Nachteil.
Welche Menschen haben ein Suchtrisiko?
Ob ein Mensch eine Tendenz dazu hat, süchtig zu werden, hängt von mehreren Risikofaktoren ab. Besonders gefährdet sind Jugendliche, da sie in diesem Entwicklungsalter auf der Suche nach ihrer Identität sind. Das familiäre Umfeld, in dem sie groß geworden sind, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Auch hat man Genvarianten entdeckt, die ein Abgleiten in Süchte begünstigen.
Die familiären Risikofaktoren
Nach Expertenschätzungen leben über 3.000.000 Kinder in Familien mit einem suchtkranken Familienmitglied. Da die Familien meist viel Energie aufbringen, um die Suchterkrankung geheim zu halten, ist die Dunkelziffer laut Experten sehr hoch.
Kinder suchtkranker Eltern haben ein um das Sechsfach erhöhte Risiko, als Heranwachsender auch eine Sucht zu entwickeln.
Was versteht man unter Suchtprävention?
Süchte verursachen beim Erkrankten und seinem Umfeld gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Schäden. Die Prävention versucht, die Sucht und deren Folgen zu vermeiden. Deswegen setzt die Prävention an zwei Stellen an. Zum einen werden Strukturen aufgebaut, die aufklärend, beratend und intervenierend wirken. Zum anderen wird versucht die Lebenskompetenz von Familien und Jugendlichen zu stärken, um negative Verhaltensweisen um das Konsumverhalten herum zu verringern (www.bmfsfj.de).
Was können Eltern zur Prävention tun?
Diese Frage lässt sich nur schwer beantworten. Wie bei vielen Erziehungsfragen gibt es hier kein allgemeingültiges Rezept. Trotzdem halten Experten die Familie als ersten und wichtigsten Teil der Suchtprävention. Die frühen Erfahrungen, die wir in der Familie gemacht haben, prägen uns ein Leben lang. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass soziale Kompetenzen, sowie ein gutes Selbstbewusstsein und das Gefühl, etwas bewirken und sein Leben kontrollieren zu können, einer Sucht vorbeugen. Diese Kompetenzen erwerben Kinder zuerst in ihren Familien. Sie erleben, wie die Eltern miteinander umgehen und wie sie als Kinder behandelt werden. Die Familie sollte ein sicherer Hafen sein, in dem Kinder viel Liebe und Geborgenheit erfahren.
Familie als Vorbild
Eltern sind für ihre Kinder die ersten Vorbilder, an deren Verhalten sie sich orientieren. Das sollte Eltern jedoch nicht dazu anhalten, möglichst alles perfekt machen zu wollen. Gerade wie die Eltern mit Fehlern umgeben, stärkt ihre Kinder für die eigene Zukunft. Wenn Eltern sich in schwierigen Situationen Hilfe suchen, lernen Kinder ebenfalls konstruktiv mit Krisen umzugehen. Auch schauen sich Kinder ab, ob Eltern in Stresssituationen zu Genussmitteln greifen, um sich zu beruhigen. Zur Vorbildfunktion gehört, den Kindern zu zeigen, wie man mit Konsumgütern umgeht. Wann und wieviel Alkohol trinken die Eltern bei Festen oder zu anderen Anlässen? Gehört Konsum automatisch zu Erholungsphasen der Eltern dazu?
Über Süchte sprechen
Gespräche innerhalb der Familie sollten immer vertrauensvoll und möglichst ohne Tabus ablaufen. Kinder sollten das Gefühl haben, dass ihre Eltern Interesse an ihrem Alltag und ihren Sorgen haben. Ein Gespräch über Genussmittel, Konsum und Sucht sollte schon vor der Pubertät geführt werden. Vielleicht gibt eine Geburtstagsfeier, ein Film oder eine andere Situation im Familienalltag einen natürlichen Anlass dazu. In der Pubertät ist es oft gar nicht so einfach im Gespräch mit dem Heranwachsenden zu bleiben. In dieser Zeit ist es besonders wichtig, dass Eltern vorurteilsfrei dem Teenager zuhören, wenn er über seine Meinungen und Leidenschaften erzählt. Statt das neue Onlinespiel gleich zu verdammen, kann es helfen, Interesse zu bekunden, damit Eltern nicht das Vertrauen und das Gefühl für ihr Kind verlieren. Hilfreich kann auch sein, wenn Pubertierende merken, dass die Eltern sich informiert haben, eine klare Meinung zu Freizeitgestaltung und Genussmittel haben und signalisieren, dass sie auch bei kritischen Fragen gesprächsbereit sind.
Klare Regeln während der Pubertät
Während der Pubertät verändert sich die Eltern-Kind-Beziehung erheblich. Die Heranwachsenden fordern immer mehr Eigenverantwortung und Unabhängigkeit ein. Eltern haben gleichzeitig immer weniger Einblick in den Alltag ihrer Kinder. Trotzdem ist es wichtig, dass Eltern weiter bestimmte Rahmenbedingungen vorgeben, innerhalb derer die Teenager sich ausprobieren dürfen. Um ihrer begleitenden und unterstützenden Rolle gerecht zu werden, sollten Eltern in der Pubertät besonders in Bezug auf Alkohol, Nikotin und Medien klare Regeln aufstellen, die sich am besten an den Jugendschutzbestimmungen (www.jugendschutz-aktiv.de) orientieren sollten. Regeln könnten beinhalten:
- Die Altersfreigaben von Medien (Filme, Computerspiele, Soziale Medien) werden eingehalten.
- Auf Feiern von unter 16 Jährigen herrscht Alkoholverbot.
- Kinderräume sind rauchfreie Räume.
- Feste Nutzungszeiten für Computerspiele.
- Keine Handys bei den Mahlzeiten (Dies gilt dann natürlich auch für Erwachsene.)
Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, sollten Eltern, wenn ihr Kind besonders früh seine ersten Erfahrungen mit Genussmitteln macht, wenn sich die Schulleistungen scheinbar grundlos extrem verschlechtern oder sie andere Änderungen im Leben ihres Kindes feststellen, die ihnen Sorge bereiten und sie den Kontakt zum Kind verlieren.
Was tun, wenn das eigene Kind süchtig wird?
Eltern aus allen Schichten kann es passieren, dass ihr Kind süchtig wird. Sich selbst oder dem Kind Vorwürfe zu machen, ist wenig hilfreich. Erfahrungen zeigen, dass zwei Grundvoraussetzungen in dieser Situation weiterhelfen. Eltern sollten sich umfassend über die verschiedenen Süchte und ihre Begleiterscheinungen informieren (Informationsmaterial: www.dhs.de). Ferner sollte ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Eltern und Jugendlichen bestehen. Dann können Eltern und Kind gemeinsam eine Beratungsstelle aufsuchen (Beratungsstellen unter: www.bzga.de). Natürlich können Eltern auch allein eine Beratungsstelle aufsuchen, denn prinzipiell müssen Suchtkranke selbst den Wunsch haben, aus dem Suchtverhalten aussteigen zu wollen.
Wie sieht die Therapie bei Suchtkranken aus?
Eine Therapie hat in der Regel das Ziel, dem Betroffenen ein Leben ganz ohne den Konsum oder den angemessenen Umgangen mit seiner Droge zu ermöglichen. Bei körperlichen Abhängigkeiten muss eine Entgiftung als erster Schritt erfolgen. In einer Psychotherapie soll der Suchtkranke lernen, seine psychische Abhängigkeit in Verhaltens- oder Gesprächstherapien zu verarbeiten und zu überwinden. Die Erfolge aus den beiden ersten Schritten müssen danach in den Alltag integriert werden. Besonders bei letzterem Schritt ist die Unterstützung des familiären Umfeldes wieder von großer Bedeutung.
Ko-Abhängigkeit in der Familie
Eine Sucht betrifft nie den Süchtigen alleine. Die ganze Familie ist von der Sucht betroffen. Je länger die Abhängigkeit besteht, umso intensiver werden die anderen Familienmitglieder bewusst oder unbewusst in die Sucht einbezogen. Co-abhängig zu sein bedeutet, dass die Sucht des Familienmitgliedes zum beherrschenden Thema des Alltages wird und alle eigenen Probleme und Bedürfnisse in den Hintergrund treten. Die Co-Abhängigen versuchen die Symptome der Sucht zu minimieren, kompensieren oder auch zu bagatellisieren. Neben der Therapie des Suchtkranken sind deshalb auch Hilfen für alle Ko-Abhängigen unabdingbar (www.dassuchtportal.de).
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